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Im Dienst für WDVS seit 2012: Dr. Clemens Hecht

Interview mit QG-Sprecher Clemens Hecht

Seit 2012 ist DI Dr. Clemens Hecht Sprecher der ARGE Qualitätsgruppe Wärmedämmsysteme (QG WDS). Anlässlich der 10. Verleihung des ETHOUSE Awards im März 2020 beantwortete er einige Fragen rund um den Sanierungspreis sowie WDVS und Klimaschutz.

2008 wurde der ETHOUSE Award erstmals vergeben. Was hat die ARGE QG WDS bewogen, einen Preis für energieeffiziente Sanierungen auszuloben? 
Clemens Hecht: Dazu gab es viele Gründe und im Verlauf der zehn Awards haben sich diese nicht nur bestätigt. Der ETHOUSE Award ist eine der drei Säulen, auf denen das Tun der QG basiert. Die beiden anderen sind die Verarbeitungsrichtlinie (VAR) als Grundlage für Planung wie Verarbeitung und der zertifizierte WDVS-Fachverarbeiter als Umsetzer der VAR. Der ETHOUSE Award gilt als Zeichen, dass planerische und Ausführungsqualität zu attraktiven Objekten führen. Diese als Impulse wollten wir in die Öffentlichkeit bringen. Am Wettbewerbshimmel betrachtet, füllte der ETHOUSE Award eine Lücke, nämlich ein Preis, der ausschließlich Sanierungen würdigt. Mit den Siegerprojekten wird gezeigt, was mit WDVS möglich ist – gestalterisch und bei der Einsparung von Heizenergie. Da der Gebäudebestand eine enorme Ressource zur CO2-Reduktion ist, gilt es aufgrund der Klimaerwärmung, sich darauf stärker zu konzentrieren.   

Die Initiierung des Awards liegt zwischen dem Kyoto-Protokoll aus 1997 und dem Pariser Abkommen von 2015. Das Thema Erderwärmung hat im vergangenen Jahr definitiv alle Branchen, ökologische und politische Diskurse erfasst. Klimaschutz ist Mainstream. Welchen Beitrag kann WDVS dazu leisten? 
Clemens Hecht: Ganz klar: einen wesentlichen! Betrachten wir mit der Renovate EuropeKampagne (Anm.: eine europäische Plattform, die sich zum Ziel gesetzt hat, den Energieverbrauch von Gebäuden bis 2050 um 80 % zu senken) den größeren Rahmen: Neun von zehn Häuser in der EU werden 2050 weiterhin vorhanden und genutzt sein. Gebäude sind zu 36 % für den CO2-Ausstoß in der EU verantwortlich und benötigen circa 40 % der Energie in der EU. Schon heute leisten Gebäude mit minimalem Energieverbrauch durch Vollwärmeschutz einen wesentlichen Beitrag zur CO2-Reduktion.   

Nachhaltigkeit entwickelt sich vom Konsumtrend zum Wirtschaftsfaktor. Wie schlägt sich dieser Wandel am WDVS-Markt nieder? Entwickelt sich WDVS mit?
Clemens Hecht: 
Ja! Wir sind nicht mehr an jedem Punkt groß entwicklungsfähig, aber es gibt noch reichlich Entwicklungspotenziale und Herausforderungen. Physikalisch sind wir z. B. bei der Entwicklung niedrigerer, also noch geringerer Wärmeleitfähigkeiten für die Dämmstoffe quasi am Ende. Aber wer kann schon eine Innovation ausschließen? Zudem ändert sich der Blick auf die Dämmstoffe selbst, einem wesentlichen Bestandteil des WDVS. Nicht nur neue Materialien werden diskutiert, sondern auch alt bewährte zeigen bei objektiver Betrachtung ihre nachhaltige Qualität.  Potenzial gibt es jedenfalls in der Kreislaufwirtschaft. Rückbau und Wiederverwendung kommen immer mehr in den Fokus. Wirtschaftlich relevant sind auch die Vorfertigung von Systemen, der Fachkräftemangel und die Qualifizierung der Verarbeiter. Sicher werden sich die Berufsbilder verändern. In Summe schaue ich optimistisch in die Zukunft, wir werden viele Aufgaben zu lösen haben.  
     
Um dem steigenden Umwelt- und Verantwortungsbewusstsein der Menschen nachzukommen: Thermische Sanierung ist auch eine Frage der Finanzierbarkeit. Welche Aufgabe kommt der Politik zu? 
Clemens Hecht: 
Bewusstseinsbildung! Die Politik muss vor allem dafür sorgen, dass thermische Sanierungen ein positives Standing haben. Thermische Sanierung darf und kann künftig nicht hinterfragt werden, die Potenziale für das Klima und unser direktes Wohlbefinden sind bekannt. Zudem notwendig ist ein verantwortungsvoller Umgang mit den finanziellen Möglichkeiten, also den Steuergeldern. Was heißt das? Förderprogramme, wenn sie nachhaltig sind und zur Bewusstseinsbildung beitragen, wirken langfristig, sie erzeugen Nachfrage und lösen zusätzliche private Investitionen aus.  

Damit der Hausbestand seinen Beitrag für eine energieeffiziente Zukunft leisten kann: Welche Hebel müssen für das Erreichen der Sanierungsrate bewegt werden?
Clemens Hecht: 
Ein Aspekt, auf den wir als QG derzeit besonders setzen, sind steuerliche Maßnahmen. Gemeinsam mit anderen interessierten Gruppen haben wir eine Studie „Steuerliche Maßnahmen zur Dekarbonisierung des Wohnungssektors“ beim IIBW (Institut für Immobilien, Bauen und Wohnen) beauftragt, die demnächst der Öffentlichkeit vorgestellt wird. Die bisherigen Ansätze zur Erhöhung der Sanierungsrate haben nicht ausreichend gegriffen. Nach dem Klimaschutzbericht 2019 des Umweltbundesamtes trägt der Gebäudesektor wesentlich zu den gesamten österreichischen CO2-Emissionen bei. Die Sanierungsrate ist derzeit so niedrig wie seit zehn Jahren nicht mehr, nämlich unter 1,4 %. Für die Erreichung der Klimaziele muss die Sanierungsrate langfristig auf 2,5 % angehoben werden. 

WDVS heute und morgen: Wie fit ist das Produkt? 
Clemens Hecht: 
Das Produkt ist zukunftsfit! Wichtig ist zu bedenken, dass wir in der baupraktischen Realität Systeme beurteilen, die ca. vierzig Jahre alt sind. Ältere vergleichbare Systeme gibt es einfach noch nicht. Eine im Endstadium befindliche Studie zur Beurteilung der Dauerhaftigkeit ausgeführter Projekte der MA 39 belegt, dass entsprechende Systeme existieren und weiter bestehen werden. Das heißt, dass qualitativ geplant und verarbeitete Systeme bei einer regelmäßigen Pflege und Wartung eine Lebensdauer über die bisher bekannte hinaus haben.  

Zur Person DI Dr. Clemens Hecht: Seit 2012 Sprecher der ARGE Qualitätsgruppe Wärmedämmsysteme und Referent an der WKO Österreich; 2009 bis 2012 Leiter der Abteilung Bautechnik, Baustoffprüfung und Bauschadenanalyse der TVFA – TU Wien GmbH; bis 2009 Mitarbeiter der TU Wien – Institut für Hochbau & Technologie, Zentrum für Bauphysik & Bauakustik; freier Mitarbeiter als wissenschaftlicher Berater für verschiedene Firmen; 2001 Doktorat an der TU Wien; Schwerpunkt: nachträgliche Mauerwerksinjektion und Ersatz von Sanierputzen mittels Platten aus Calciumsilikat; seit 2012 im Vorstand der European Association of ETICS (EAE); seit 2004 Mitarbeit im österreichischen Normungsinstitut; seit 1998 Mitglied der WTA, Schriftleitung für die WTA-Merkblätter und WTA-reviewed in der Zeitschrift BAUSUBSTANZ, seit 03/2009 im Vorstand der WTA; Mitinitiator des Fachverbandes Innendämmung e.V. und des Bundesverbandes Schimmelsanierung und technische Bauteiltrocknung e.V.