Haben Sie gute Nachrichten, Herr Hecht?
Clemens Hecht: Mich freut der große Zuspruch, den wir 2020 erfuhren. Zum Beispiel für den ETHOUSE Award, den wir zum zehnten Mal an vier herausragende energieeffiziente Gebäudesanierungen verliehen haben. Die Siegerobjekte zeigen eindrucksvoll das Einsparungspotenzial: bis zu 86 Prozent weniger Energieverbrauch nach der Sanierung.
Die anvisierten Regierungsgelder für die nächsten Jahre zeigen dazu, dass thermische Sanierung ein Zukunftsthema ist und bleibt. Mit WDVS haben wir einen wesentlichen Part beizutragen und wir werden uns dafür einsetzen, dass diese Fördergelder abgeholt werden. Verschiedene, unabhängige Organisationen haben auch darauf verwiesen, dass die Maßnahmen der thermischen Sanierung für die Konjunktur genutzt werden können. Über Konjunkturpakete etwas Nachhaltiges für den Klimaschutz tun – das ist fantastisch!
Klar hat jedes Unternehmen durch die Lockdowns „gelitten“. Aber: Es wird gebaut! Wir schauen optimistisch in die Zukunft.
Die Corona-Krise ist eine Stunde der Wahrheit. Welche Erkenntnisse haben Sie als Sprecher der QG gewonnen?
Clemens Hecht: Miteinander reden ist das Um und Auf, auch wenn es derzeit mit persönlichen, d. h. direkten Kontakten schwieriger ist. Die Herausforderung dabei ist, klar(er) und eindeutig(er) zu kommunizieren. Nachfragen wird mehr Akzeptanz finden müssen und wir uns in Geduld üben. Besonders bei so einem komplexen Produkt wie ein WDVS, es grenzt an viele Gewerke. Da zahlt sich eine stärkere Zusammenarbeit genauso aus, wie sich Qualität bezahlt macht. Es geht nach wie vor um ein funktionsfähiges, energieeffizientes Gebäude, das zum Klimaschutz beiträgt. Der Klimaschutz darf über Covid auf keinen Fall vergessen werden, den können wir nicht verschieben!
Post-Corona-Ökonomie: Was ist die neue Normalität in der Branche? Vor welchen Herausforderungen stehen Ihre Mitgliedsbetriebe heute?
Clemens Hecht: Unabhängig von der Pandemie wird die Kreislaufwirtschaft eines der wichtigen Themen sein. Es mag seltsam klingen, aber wesentlich ist auch, auf die Bedürfnisse und Anforderungen der Auftraggeber zu hören. Bei der aktuellen Ausbildungssaison müssen wir Kompromisse eingehen. Dafür werden wir in einer beruhigten Situation mit größerer Intensität vorgehen.
Die Situation hat aufgezeigt, dass Bauen durch Regionalität geprägt ist. Viele Baustoffe, auch die eines WDVS, werden in der näheren Umgebung produziert. Mit Sicherheit ist das ein Branchenvorteil.
Welche Schlüsse zieht die QG für ihre Tätigkeiten? Wohin zeigt der Kompass und von was wird Erfolg und Scheitern abhängen?
Clemens Hecht: Wir werden uns noch stärker als einer der wichtigsten Partner für thermische Sanierung positionieren. D.h. Entscheidungsträger in allen Bereichen mehr informieren und einbinden, Ausführende mit Ausbildungsprogrammen und der Verarbeitungsrichtlinie weiter und stärker unterstützen. Bewusstseinsarbeit ist essenziell. Für einen energieeffizienten Gebäudebestand müssen wir alle gemeinsam an einem Strang ziehen.
International zeigt die Richtung schon lange hin zu einer europäischen Normung für den Vollwärmeschutz mit WDVS. Damit der Qualitätsstandard als Produkt und als fertig ausgeführte Fassade steigt, u. a. sich die Qualifikation der Ausführenden international angleichen wird. Wir haben uns dafür über das österreichische Normungsinstitut engagiert und sind auf die Schlussgerade eingebogen.
Megatrend Neo-Ökologie weist technologische Innovation als Treiber des Wandels aus. Welche Rolle nimmt WDVS ein?
Clemens Hecht: Hier sind vor allem die Mitgliedsunternehmen gefragt, die QG unterstützt. Zum Beispiel mit unserem Engagement im PolystyreneLOOP für das EPS- und XPS-Recycling, für das die Pilotanlage in Holland entsteht. Langfristig betrachtet ist die Kreislaufwirtschaft die Bedingung für unser Leben. Ich gehe davon aus, dass alle anderen Dämmstoffe hier nachziehen werden. Erste Anzeichen sind bereits klar zu erkennen. Ich bin davon überzeugt, dass wir da noch einige Überraschungen erleben werden.
Zur Person DI Dr. Clemens Hecht:
- seit 2012 Sprecher der ARGE Qualitätsgruppe Wärmedämmsysteme und Referent an der WKO Österreich;
- 2009 bis 2012 Leiter der Abteilung Bautechnik, Baustoffprüfung und Bauschadenanalyse der TVFA – TU Wien GmbH;
- 1996 bis 2009 freier Mitarbeiter als wissenschaftlicher Berater für verschiedene Firmen bzw. Mitarbeiter der TU Wien – Institut für Hochbau & Technologie, Zentrum für Bauphysik & Bauakustik
- 2001 Doktorat an der TU Wien, Schwerpunkt: Nachträgliche Mauerwerksinjektion und Ersatz von Sanierputzen mittels Platten aus Calciumsilikat;
- seit 2020 Geschäftsführer der ARGE Fachvereinigung der Mineralwolleindustrie (FMI)
- seit 2012 im Vorstand der European Association of ETICS (EAE);
- seit 2004 Mitarbeit im österreichischen Normungsinstitut;
- seit 1998 Mitglied der WTA, Schriftleitung für die WTA-Merkblätter und WTA-reviewed in der Zeitschrift BAUSUBSTANZ
- seit 2009 im Vorstand der WTA;
- Mitinitiator des Fachverbandes Innendämmung e.V. und des Bundesverbandes Schimmelsanierung und technische Bauteiltrocknung e.V.