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Studie: Konkrete steuerliche Maßnahmen zur Dekarbonisierung des Wohnungssektors

Dringender Handlungsbedarf: 1,4 % – die Sanierungsrate ist derzeit so niedrig wie seit 10 Jahren nicht mehr. Die bisherigen Ansätze zur Erhöhung der Sanierungsrate haben nicht ausreichend gegriffen. Doch für die Erreichung der Klimaziele muss die Sanierungsrate langfristig auf 2,5 % angehoben werden. Denn laut Klimaschutzbericht 2019 des Umweltbundesamtes tragen Gebäude rund 10 % zu den gesamten österreichischen CO2-Emissionen bei.

Eine Studie des Instituts für Immobilien, Bauen und Wohnen (IIBW) zeigt neue, konkrete Wege auf. Fokus: steuerliche Maßnahmen. Gemeinsam mit anderen Verbänden haben wir den Auftrag zur Studie erteilt. Kürzlich wurden die Ergebnisse präsentiert.

Neue Ansätze zur Erreichung der Sanierungsziele
Aufbauend auf internationalen Vorbildern wurden steuerliche Maßnahmen zur Forcierung von thermischen Sanierungen analysiert. Zwei steuerliche Förderungsmodelle werden im Studienergebnis präsentiert. Beide sind so konzipiert, dass ihre Einführung mit geringstmöglicher Reibung machbar ist:

Das erste Modell zielt auf Eigenheime und Eigentumswohnungen ab, das zweite auf private Mietwohnungen. Also auf Bestandssegmente, bei denen die bisherigen Förderungsmodelle besonders auslassen. Die Sanierung von Eigenheimen und Eigentumswohnungen soll durch die großzügige Absetzung von Sanierungskosten von der Lohn- und Einkommensteuer bzw. einer Negativsteuer im Rahmen der Arbeitnehmerveranlagung angekurbelt werden; Die Sanierung von privaten Mietwohnungen durch eine verkürzte Absetzung von Sanierungskosten oder alternativ mit Investitionsprämien.

Die vorgeschlagenen Modelle und Maßnahmen im Detail

1. Sanierung von Eigenheimen und Eigentumswohnungen

  • Es sollen alle thermisch-energetisch relevanten Maßnahmen einer Gebäudesanierung steuerlich absetzbar sein. Dazu gibt es zwei Möglichkeiten:
    – Umfassende Sanierung mit Sanierungskonzept; die Gesamtenergieeffizienz oder der Heizwärmebedarf eines Gebäudes muss um mindestens 60 % verbessert werden
    – Einzelbauteilsanierungen sind förderungswürdig, sofern die jeweiligen Bauteile den thermischen Standard von Neubauten erreichen 
  • Sanierungsausgaben werden mit € 100.000,- gedeckelt. Die abzuschreibende Summe wird in fünf gleiche jährliche Beträge aufgeteilt und über Einkommensteuererklärung bzw. Arbeitnehmerveranlagung geltend gemacht. 
  • Bei umfassender Sanierung können 65 % der Kosten steuerlich geltend gemacht werden, bei Einzelbauteilsanierungen 40 % der Kosten (können nachträglich zu einer umfassenden Sanierung ausgeweitet werden). Niedrigverdiener können alternativ eine Negativsteuer in Anspruch nehmen.

2. Sanierung privater Mietwohnhäuser

  • Voraussetzung für die Förderung ist eine Verbesserung der Gesamtenergieeffizienz oder des Heizwärmebedarfs eines Gebäudes um mindestens 40%
  • Stark verkürzte Absetzung in Form einer Sonderabschreibung (innerhalb von 5 Jahren) 
  • Alternativ eine Investitionsprämie von 15% der Investitionskosten 
  • Für denkmalgeschützte Gebäude soll die Liebhabereiberechnung entschärft werden 
  • Mietzinsreserven: zum Ansparen der Finanzierungsbeiträge für Sanierung. Werden diese nicht für energetische Sanierung verwendet, sind sie nachzuversteuern. 
  • Sofortabsetzung Wohnungen bei Mischobjekten (analog gewerblich genutzte Mietflächen)

Effekte und Auswirkungen
Bei entsprechend konsequenter Umsetzung der dargestellten steuerlichen Förderungsmodelle ist in den jeweiligen Bestandssegmenten eine Erhöhung der Sanierungsrate um ca. 1 % machbar. Damit ist ein wesentlicher Beitrag zur Dekarbonisierung des Wohnungssektors möglich. Weiters ist die Wohnhaussanierung ein mächtiger Motor für Wirtschaftsleistung und Beschäftigung. Gewinner ist nicht nur die Umwelt, sondern auch der Fiskus. Die Studie hierzu in geschätzten Zahlen:

  • 2 Mio. t CO2-Reduktion in 10 Jahren
  • 2,6 Mrd. € zusätzlicher Bruttoproduktionswert pro Jahr (dient der Konjunkturbelebung)
  • 18.000 Arbeitsplätze werden dauerhaft gesichert
  • 31.000 Häuser und Wohnungen werden jährlich saniert
    • 630 Mio. € steuerliche Mindereinnahmen
  • + 790 Mio. € zusätzliche Lohnsteuer und USt., Nichtausgaben Arbeitslosigkeit und Einsparung CO2-Zertifikate
  • + 160 Mio. € Saldo für die öffentliche Hand

Praktische Umsetzung
Das Eigentums-Modell ist eng an die bis vor kurzem bestehenden Topf-Sonderausgaben angelehnt. Bei seiner Einführung kann an Erfahrungen und bestehende Strukturen aufgesetzt werden. Das Miethaus-Modell ist gleichfalls kompatibel mit bestehenden Regelungen und lehnt sich an Erfahrungen in Deutschland an.

Die 28-seitige Studie zum Download finden Sie weiter unten (1 MB) oder direkt auf der Seite des IIBW.

Studien Autoren:

Mag. Karin Fuhrmann, TPA Steuerberatung GmbH
Prof. Mag. Ing. Walter Stingl, Stingl Top Audit
FH-Doz. Dr. Wolfgang Amann, IIBW – Institut für Immobilien, Bauen und Wohnen GmbH

Die Studie wurde im Auftrag folgender Verbände erstellt:

  • Gebäudehülle+Dämmstoff Industrie 2050
  • ARGE Qualitätsgruppe Wärmedämmsysteme
  • Initiative Pro Steildach
  • Forschungsverband der österr. Baustoffindustrie
  • Zentralverband industrieller Bauproduktehersteller

Diese Studie wurde zeitgleich mit folgender Studie publiziert: „Definition und Messung der thermisch-energetischen Sanierungsrate in Österreich“ 

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