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Nachbericht 4. QG Talk „Wärmedämmung – ein Weg aus der Energiearmut?“, 1.10.2014

„Wärmedämmung – ein Weg aus der Energiearmut?“

Kalte Wände und Böden, ungeheizte Räume, Schimmelbefall, undichte Fenster und Eingangstüren, unbezahlte Strom- und Gasrechnungen bis hin zur Energieabschaltung: Die Belastungssituation und die Anzahl von Energiearmut betroffener Haushalte sind alarmierend. Welche Gegenmaßnahmen möglich, nötig und zielführend sind, stand im Mittelpunkt des vierten QG Talks der Qualitätsgruppe Wärmedämmsysteme (QG WDS) am 1. Oktober im forum mozartplatz in Wien.

Ökologische und soziale Ziele haben einen gemeinsamen Nenner: Energieeffizienz. Dass derzeitige Normen und EU-Gebäuderichtlinien jedoch an den laut Statistik Austria 263.000 von Energiearmut betroffenen Menschen vorbeigehen, war eine Erkenntnis der Diskussion. Einig waren sich die ExpertInnen darin, dass Wärmedämmung ein Weg aus der Energiearmut ist, weil sie hilft die Gebäude energieeffizienter zu machen. Dass die Umsetzung jedoch eine komplexe Angelegenheit ist, zeigte die Diskussion.

Für Anja Christanell, Geschäftsführerin Österreichisches Institut für Nachhaltige Entwicklung (ÖIN) und Projektleiterin „Pilotprojekt gegen Energiearmut“, ist Energiearmut ein Querschnittsthema, das soziale Verantwortung genauso wie Politik und Wirtschaft fordere: „Wichtig ist, dass bei den möglichen Lösungsansätzen auf die Erfahrungen aus der Praxis zurückgegriffen wird“, so Christanell und verweist auf sechs definierte Gegenmaßnahmen: 1. Erhöhung der Sanierungsquote im öffentlichen und privaten Wohnbau und Priorisierung thermischer Sanierungsmaßnahmen unter Berücksichtigung von Energiearmut; 2. Niederschwellige, kostenlose Vor-Ort-Beratung mit Sofortmaßnahmen zur Erhöhung der Energieeffizienz; 3. Einrichtung eines Energieunterstützungsfonds; 4. Verbot von Energieabschaltungen im Winter; 5. Möglichkeit der Befreiung von verbrauchsunabhängigen Kostenbestandteilen von Strom, Gas und Fernwärme sowie eine Steuerbefreiung; 6. Entwicklung und Finanzierung einer nationalen Strategie unter Federführung eines Ministeriums. Notwendig seien für den Maßnahmenkatalog Partner von Seiten der Regierung und der Energiewirtschaft.

Starke Partner wünscht sich auch die Projektleiterin des VERBUND Stromhilfefonds der Caritas Caroline Nwafor. Denn mit der Hilfeleistung stoße das Projekt an seine Grenzen: „Wir beraten und leisten Soforthilfe, wie die Reparatur oder den Austausch von energiefressenden Geräten. Aber notwendig sind thermische Sanierungsmaßnahmen.“ Laut Nwafor leben circa siebzig Prozent der KlientInnen in Gebäuden, die dringend saniert werden müssten, der notwendige Eigenmittelanteil jedoch nicht aufgebracht werden könne. Nwafor forderte zudem, nicht die Ökologie mit dem Sozialen auszuspielen, sondern einen ganzheitlichen Zugang.

Die Diskussion auf eine Metaebene bringen, war auch der Wunsch von Tania Berger, Projektteam RedEn! von der Donau-Universität Krems. Das Dreigestirn an Ursachen von Energiearmut sind Energiepreise, Einkommen und Energieeffizienz von Gebäuden. „Langfristig gesehen sind energieeffiziente Gebäude sicher der entscheidende Faktor um zu verhindern, dass Menschen im Kalten wohnen müssen – mit all seinen Folgen.“ Sie sieht die Problematik im leistbaren Wohnraum, der den Betroffenen mittelfristig zur Verfügung gestellt werden müsse. Berger warnte vor der Gentrifizierung im städtischen Raum, denn geförderter Wohnbau sei eine Mittelstandsförderung.

Die große Chance bei Wärmedämmung und Energieeffizienz sieht Architekt Georg Reinberg darin, dass Mieter und Öffentlichkeit gleichermaßen davon profitieren: Durch energieeffiziente Gebäude werde den Mietern warm und die Umwelt werde geschont. „Wir haben die technische Möglichkeit in den Schubladen, dass wir Gebäude bauen, die man fast nicht mehr heizen muss.“ Häuser, die Energie produzieren, sind nach Reinberg die Zukunft. Doch sei dafür noch viel Denkarbeit notwendig.

Energiearmut ist nach Clemens Hecht, Sprecher der Qualitätsgruppe Wärmedämmsysteme, ein komplexes, schwieriges und emotional besetztes Thema. „Es ist schwierig darüber zu diskutieren, wenn man selber nicht betroffen ist. Für die Zukunft ist es erstrebenswert, wieder soziale Verantwortung zu übernehmen.“ Die Erhöhung der Sanierungsrate durch Anreizmodelle sei notwendig, so Hecht. Nur so könne das Mieter/Vermieter-Dilemma umgangen werden.

An vielen Schrauben drehen

Ein holistischer Ansatz zur Problemlösung sei notwendig, darüber waren sich die Podiumsteilnehmer einig: Einkommen, Energiepreise, Förder-Anreizmodelle. Konkret könne Nachverdichtung im städtischen Raum ein wichtiger Lösungsweg sein, so Reinberg. Zum Wohl der Allgemeinheit dürfe dafür aber keine Scheu sein, in Eigentumsrechte einzugreifen – so auch eine bestätigende Meldung aus dem Publikum. Sich aber nur auf den Staat als alleinigen Maßnahmensetzer zu verlassen, sei zu einseitig.

Mainstreamtauglich

Ein allgemeines Bewusstsein für das gesellschaftliche Problem Energiearmut ist gefordert. Denn von Maßnahmen gegen Energiearmut profitiere die Allgemeinheit. Das Geld für Sanierungsprojekte liege brach, den Besitzern müsse der eigene Vorteil von energieeffizienten Gebäuden bewusst werden: eine saubere Umwelt und eine ausgeglichene, friedvolle Gesellschaft. Es müsse chic werden, meinte Architekt Reinberg, sich gegen Energiearmut einzusetzen und Verantwortung für das Gemeinwohl zu übernehmen.

Am Podium waren

Anja Christanell
Geschäftsführerin Österreichisches Institut für Nachhaltige Entwicklung (ÖIN),
Projektleiterin „Pilotprojekt gegen Energiearmut“

Clemens Hecht
Sprecher QG WDS

Tania Berger
Donau-Universität Krems, Projektteam RedEn! Reduktion der Energiearmut durch Gebäudesanierung unter Beteiligung der BewohnerInnen

Caroline Nwafor
VERBUND Stromhilfefonds

Georg Reinberg
Architekt

Moderation: Volker Dienst, Inprogress Architektur Consulting

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