„Wärmedämmung – macht sie sich bezahlt?“
Sanierungs-Hype, Plattitüde, Dämmlüge und Manipulation – so vielfältig die Kritik, so groß der Ruf nach einer gesamtheitlichen Betrachtung von Wärmedämmung. Gefragt sind integrale Forschungsprojekte und ein effizientes Förderwesen. Schließlich bleibt Wärmedämmung unumgänglich für den Neubau und bei Sanierungsprojekten. Dass die Maßnahme ökonomisch, ökologisch und ästhetisch betrachtet werden muss, das bewies der erste QG Talk.
Seit Jahrzehnten bemühen sich Energieinstitute, BauökologInnen und PlanerInnen, das allgemeine Bewusstsein für ökologisches und energieeffizientes Bauen zu erhöhen. Die energetischen Anforderungen und Baustandards sind in den letzten Jahren kontinuierlich hinaufgesetzt, verschärft und den aktuellen Gegebenheiten angepasst worden. Die Argumente: Klimaschutz, CO2-Reduktion, Energieeffizienz und Geldersparnis. Einige Medien berichten nun Gegenteiliges – Wärmedämmung rechne sich nicht. ExpertInnen nahmen hierzu Stellung.
Der Architekt Gerhard Kopeinig von ARCH+MORE zitierte ein konkretes Beispiel: Beim Sanierungsprojekt Makartstraße in Linz wurde der Energieverbrauch für die Raumwärme auf weniger als ein Zehntel des Verbrauchs reduziert, der vor der Sanierung bestand. Doch diese Zahl sei nur ein Aspekt: „Das Ziel bei solchen Projekten ist immer auch Mehrwert für die Bewohner“, so Kopeinig, „und der äußert sich in gesteigerter Lebensqualität.“
Dem stimmte Renate Hammer vom Institute of Building Research and Innovation zu: „Für die Bewohner zählt nicht, wie ein Haus gebaut ist, sondern dass Kosten gespart werden und sie sich wohlfühlen.“ Zudem gehe es bei Häusern nicht um Baustandards, sondern um den tatsächlichen CO2-Verbrauch. Die Vorgabe von „nearly zero carbon emissions“ im Neubau sei eine Angelegenheit ohne feste Grundsätze. Auch „zero emission“ sei möglich. Der Vollwärmeschutz habe somit seine Berechtigung, mit bekannten oder neuen alternativen Dämm-Materialien.
Sind staatliche Förderungen der falsche Weg bei thermischen Sanierungen? Nein, so Wolfgang Amann vom Institut für Immobilien, Bauen und Wohnen. Dass 2012 der Sanierungsscheck nur zu siebzig Prozent beansprucht wurde, läge daran, dass der Sanierungs-Hype abgeflacht sei. Bei Neubauten gelten in Österreich ohnehin hohe Standards, hier liegt die Sanierungsrate bei nur zwei Prozent. „Beim Wohnrecht brauchen wir eine sozial-, umwelt- und wirtschaftspolitische Ausrichtung.“ Dass sich die Politik trotz der aktuellen Forderung nach leistbarem Wohnen weg von energiesparendem Bauen bewegt, sieht Amann nicht. „Ich erwarte im Passivhaus-Bereich Produktivitätszuwächse und eine höhere Ausnutzung der Effizienzpotenziale.“
Die MA 20 – Energieplanung bezeichnet sich als „Motor der Solarstadt“. Ob ausreichend Solarenergie Wärmedämmung in Zukunft hinfällig werden lasse, sieht Bernd Vogl, Leiter der MA 20 – Energieplanung, nicht: „Wir sind für Energieeffizienz. Es muss nach Energiequellen aus der Umgebung gesucht werden.“ Er plädiert für intelligente Planung: „Wir brauchen Wissen im Bereich der Energieeffizienz und das in Kombination von Wärmedämmung mit Solarenergie.“ Erfahrung und Vergleiche von unterschiedlichen Gebäuden sollen auf dem Weg dorthin helfen.
Clemens Hecht, Sprecher QG WDS, verwehrt sich gegen die generelle Kritik an Wärmedämmverbundsystemen (WDVS). Zudem Dämmstoffe aus nachwachsenden Rohstoffen ebenfalls in WDVS verwendet werden. Schäden sind vielfach auf die Verarbeitung zurückzuführen: „Das System funktioniert, aber es muss ordnungsgemäß verarbeitet werden.“ Dafür sei geschultes Personal notwendig. Hecht zum Thema Brandschutz: WDVS sei das am gründlichsten geprüfte System im Baubereich. Da WDVS zumeist aufgedoppelt werden, hat Hecht keine Sorge, dass Mensch und Umwelt mit dem ab 2015 ohnehin verbotenen Flammschutzmittel HBCD (Hexabromcyclododecan)in Berührung kommen. Der Einsatz von Alternativprodukten ist unproblematisch. Zur bauästhetischen Komponente meinte er: „Es gibt immer eine gestalterische Herausforderung, aber auch genügend Angebote für ästhetische Gestaltungsmittel – das soll genutzt werden.“
Wärmedämmung als Weg
In Österreich werden pro Jahr mehr als zwölf Millionen Quadratmeter Wärmedämmung in WDVS verarbeitet, Tendenz steigend. Oft werden die Kosten dafür falsch berechnet – die Lebensdauer liegt weit höher als 25 Jahre. „Versuche mit WDVS haben gezeigt, dass selbst bei einer Simulation von fünfzig Jahren WDVS so gut wie keine Funktion verlieren“, so Amann. Aufdoppelung ist eine bewährte Technik, deshalb wird Recycling in großen Mengen nicht nötig sein. Emissionsneutrale Gebäude sind notwendig – dabei ist WDVS nicht das Ziel, sondern der Weg.
Per Dialog die Lebensqualität steigern
Die Zusammenarbeit von Industrie mit PlanerInnen und ArchitektInnen ist gewünscht. Dieser Wunsch kam sowohl vonseiten der DiskukantInnen als auch aus dem Publikum. Bernd Vogl sicherte die Unterstützung zu, gemeinsam ein Projekt ins Leben zu rufen. So soll sich Wärmedämmung weiterhin von Anfang an rechnen – durch einen integralen Planungsprozess.
Am Podium:
Clemens Hecht, Sprecher QG WDS
Wolfgang Amann, Institut für Immobilien, Bauen und Wohnen
Gerhard Kopeinig, Architekt, ARCH+MORE
Renate Hammer, Institute of Building Research and Innovation
Bernd Vogl, Leiter MA 20 – Energieplanung
Moderation: Volker Dienst, Inprogress Architektur Consulting
Pressekontakt für weitere Informationen: m.horngacher@goodforidentity.at
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